In der Gralssage geht es um ein verwüstetes Land, ein Ödland, in dem sich das Vieh nicht fortpflanzt, das Getreide nicht reift, Ritter getötet werden, Kinder Waisen sind, junge Frauen weinen und überall getrauert wir. Gemäß der Sage sind die Probleme des Landes auf den verwundeten Fischerkönig zurückzuführen, der ständig leidet, weil seine Wunde nicht heilen will. Diese Wunde heilt nicht, da sie von einem Speer geschlagen wurde. Könnte der Herrscher des Landes vom Gral berührt werden und die Spiritualität dieses göttlichen Anteils in sich erfahren, so hätte der Gral die Macht, das Ego, den Verstand zu heilen. Würde die Wunde des Königs geheilt so würde sich – synchronistisch dazu- auch das Land erholen. Freude und Wachstum würden wiederkehren und kein Speer könnte ihn jemals wieder verwunden.
n der Gralssage ist das Ego vom spirituellen Teil des Menschen, welcher die Heilung und Erneuerung der Lebenskraft bringen würde, abgespalten. Die Wunde die nicht heilen will, ist die Folge dieser Spaltung, die das Ego, der Verstand der für sein Wohlergehen sorgt herbeigeführt und sich damit selbst der lebenswichtigen Verbundenheit mit der Spiritualität beraubt hat. Die Wunde wurde vom Speer geschlagen und dieser gehört zum männlichen Prinzip. Nur durch eine Überbewertung der männlichen Eigenschaften konnte diese Wunde entstehen.
Der König, der nicht mehr in Fühlung mit dem Gral ist, symbolisiert das rationalistischen, von der Spiritualität abgeschnittene Denken, den hochgradig herzinfarktgefährdeten Menschen, die lineare Persönlichkeit, die von allem abgeschnitten ist, was nicht rational und sinnvermittelnd ist. Diese Wunde des Fischerkönigs ist das psychologische Problem unserer heutigen Zeit. In einer wettbewerbsorientierten, materialistischen Gesellschaft, die von Zynismus gegenüber spirituellen Werten geprägt ist, die Gott als tot erklärt hat und in der weder das wissenschaftliche noch das psychologische Denken dem Reich des Geistes oder Göttlichen in uns noch eine Bedeutung beimisst, fühlt sich der Einzelne isoliert und unbedeutend. Mit dem Versuch, die Einsamkeit durch sexuelle Intimität und das Gefühl des Unbedeutendseins durch ein selbstsicheres Auftreten zu überwinden, kann die Wunde nicht geheilt werden. Wenn das Ich oder Ego abgespalten ist und es das Hohe Selbst oder auch göttlichen Teil nicht mehr erfahren kann- oder mit anderen Worten wenn einem Menschen das innere Gefühl mit Gott verbunden oder Teil der ganzen Schöpfung zu sein, abgeht- dann leidet er an einer Wunde, die der Mensch als nagende, durchdringende, hartnäckige Unsicherheit erfährt. Sämtliche Arten von Abwehrmechanismen, vom Rauchen bis zum Anhäufen von Macht, sind unbefriedigende Bemühungen, um sich besser zu fühlen. Der Egoismus der modernen Welt scheint durch das Gefühl der emotionalen und spirituellen Entbehrung, des emotionalen und spirituellen Hungers, die ebenfalls zu dieser Wunde gehören, genährt zu werde. Ein solchermaßen verwundeter Mensch sucht das Ungewöhnliche, die Aufregung, die Macht oder das Prestige, um die mangelnde Freude oder den fehlenden inneren Frieden zu kompensieren.
Chronische Wut (z.B. Rheuma) und Depressionen scheinen sich unter der Oberfläche der Person, das heißt dem der Welt gezeigten Gesicht, zu verbergen. Auch dies ist eine Folge der Wunde, eine Folge davon dass das Ich oder Ego von hohen Selbst oder göttlichen Teil im Menschen abgespalten ist. Diese Wunde beeinträchtigt die Fähigkeit zu lieben und Liebe anzunehmen. Auf den emotionalen Ebenen herrscht Mangel statt Fülle, weshalb wenig Raum für Großmut, Mitgefühl, für Ermutigen und Helfen bleibt und Freude und Wachstum erstickt werden.
Um das Ödland wieder zum Leben zu erwecken, muss die Wunde des Fischerkönigs geheilt werden. Diese Wunde wiederum kann nur geheilt werden durch Mitgefühl und wahre Liebe. Eigenschaften des weiblichen Prinzips in jedem Menschen. Um diese Liebe in sich zu finden bedarf es der Hinwendung zum weiblichen Prinzip, der Rückkehr zu den Frauen im Wald. Nur dort findet man Mittel und Wege die schwarzen Ritter zu besiegen, die eigenen Schatten und Unzulänglichkeiten zu erkennen und anzunehmen durch ein Aktives an sich arbeiten. In der Gralsgeschichte repräsentiert der König das Ego beherrschend psychologische Prinzip, das heißt das, womit das Ich oder Ego oder Verstand wertet und Entscheidungen fällt, die Ratio. Die Königin, die gebraucht wird, damit der Speer den Fischerkönig nicht verwunden kann, hat ihren Platz an der Seite des Königs verloren. Das weibliche Prinzip wird als minderwertig, das Gefühl und die Intuition als in unserer heutigen Gesellschaft überflüssig erachtet. Viele Menschen und sicherlich unsere Kultur insgesamt werden vom Prinzip des Rationalismus oder des wissenschaftlichen Denkens beherrscht indem weibliche Eigenschaften abgelehnt werden.